In den letzten Jahren sind die Endometriose und Periodenschmerzen im Allgemeinen durch einige prominente Frauen wie z.B. Lena Dunham („Girls“) ins Licht gerückt worden. Sie teilen ihren Leidensweg auf den sozialen Medien, um Frauen zu ermutigen, darüber zu sprechen und sich Hilfe zu holen.
Als Kinderarzt mit Spezialisierung in der Kinder- und Jugendgynäkologie freue ich mich, dass diese Themen präsenter werden und nicht mehr als „Frauenleiden“ banalisiert werden. Ich wünsche mir aufgeklärte Mädchen und Frauen, die ihren Körper verstehen.
Allerdings gibt es in den sozialen Medien auch viele Fehlinformationen zur Frauengesundheit. Beim Lesen der Kommentare fällt mir auf, dass sich offensichtlich viele Frauen von der Schulmedizin im Stich gelassen fühlen.
„Gynäkolog*innen verschreiben nur Schmerzmittel und verteilen die Pille wie Gummibärchen ohne weitere Abklärung.“
Die Pille ist in den letzten Jahren in Verruf gekommen, weil es eben kein harmloses Gummibärchen ist, sondern unseren Körper hormonell stark beeinflusst und auch Nebenwirkungen haben kann, wie z.B. die venöse Thrombose (Blutgerinnsel).
Ich möchte in diesem Blogartikel einen kleinen Teil der Aufklärung leisten und erklären, warum Mädchen bzw. Frauen Periodenschmerzen haben, was dahinter auch mal stecken kann (Stichwort Endometriose) und verständlich machen, warum Schmerzmittel und Hormone bei Periodenschmerzen und Endometriose eingesetzt werden und sinnvoll sind.
Wieviele junge Frauen leiden eigentlich unter PRegelschmerzenschmerzen, und was bedeutet das für ihren Alltag?
Tatsächlich leiden die meisten junge Mädchen und Frauen (70-93%) darunter. Die Schmerzen können den Alltag erheblich beeinflussen, es kann zu wiederholten Fehlzeiten in der Schule kommen und zu Einschränkungen der Freizeitaktivitäten. Mädchen, die unter starken Schmerzen leiden, haben eine eingeschränkte Lebensqualität und ein erhöhtes Risiko für Depressionen und Ängste.
Regelschmerzen sollten also nicht banalisiert werden. Behandlungsoptionen sollten besprochen werden und bei ausbleibender Besserung eine Abklärung erfolgen. Wenn die Beschwerden ernst genommen werden, sind sie in den meisten Fällen gut in den Griff zu bekommen.
Was ist der Unterschied zwischen primärer und sekundärer Dysmenorrhoe?
Dysmenorrhoe ist der medizinische Begriff für Periodenschmerzen.
Die meisten Mädchen leiden unter primären Periodenschmerzen, das heißt den Beschwerden liegt keine Krankheit zugrunde.
Wenn eine körperliche Ursache bzw. Erkrankung vorliegt, dann spricht man von sekundären Periodenschmerzen. Die häufigste Ursache ist die Endometriose, gefolgt von Abflussbehinderungen durch anatomische Besonderheiten der Gebärmutter oder Vagina.
Wodurch entstehen Periodenschmerzen eigentlich?
Die Vorgänge der Menstruation sind komplex, ähneln einer Entzündungsreaktion und sind z.T. auch nicht komplett verstanden. Damit sich die Schleimhaut der Gebärmutter (Endometrium) geordnet ab- und wiederaufbauen kann, um im nächsten Zyklus ggfs. einen Embryo aufnehmen zu können, sind komplexe Mechanismen notwendig.
Wenn es im Zyklus nicht zur Befruchtung einer Eizelle kommt, entsteht ein Mangel an Progesteron. Dieser Mangel an Progesteron führt dann zur vermehrten Bildung von Omega-6-Fettsäuren. Dadurch - vereinfacht erklärt - werden mehr Botenstoffe wie Prostaglandine und Leukotriene im Gewebe ausgeschüttet.
Prostaglandine und Leukotriene sind sogenannte Gewebshormone oder Botenstoffe, die zu Entzündungsreaktionen führen. Zusammen mit anderen Botenstoffen und Entzündungszellen verursachen sie die Verengung der Blutgefäße der Gebärmutterschleimhaut, das Zusammenziehen der Muskulatur und damit die Blutung und den Abbau der Gebärmutterschleimhaut. Prostaglandine verursachen oft wehenartige Schmerzen und wirken nicht nur auf die Gebärmutter, sondern auch auf den ganzen Körper. So entstehen Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Fiebergefühl. Bei Mädchen bzw. Frauen, die starke primäre Periodenschmerzen haben, liegt ein Ungleichgewicht der freigesetzten Botenstoffe vor, d.h. die Entzündungsreaktion und damit auch der Schmerz sind verstärkt.
Die Ursache dafür ist ungeklärt, es handelt sich jedoch nicht um eine hormonelle Störung, da für diese Reaktion ein ungestörter, funktionierender Zyklus Voraussetzung ist.
Was sind die Symptome bei primären Periodenschmerzen?
Typisch für primäre Periodenschmerzen ist, dass sie erst auftreten, wenn der Zyklus nach 1-2 Jahren regelmäßig ist und es zu Eisprüngen kommt. Wie oben erklärt, muss ein funktionierender Zyklus vorliegen, damit es überhaupt zu einer solchen Entzündungs- und Schmerzreaktion kommen kann.
Die Schmerzen beginnen meist am Tag vor der Periode und halten dann ca. 24-48 Stunden an. Begleitsymptome können Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, Muskelkrämpfe und Schlafstörungen sein.
Wie werden primäre Periodenschmerzen behandelt?
Beratung und Aufklärung
Zuallererst profitieren die Mädchen von einer Beratung und Aufklärung bezüglich des Menstruationszyklus und der Schmerzen. Die Mädchen sollen sich verstanden fühlen. In unserer Gesellschaft wird die Periode häufig noch negativ mit Unreinheit assoziiert und Periodenschmerzen als typisches „Frauenleiden“ hingenommen, welches „frau“ ertragen muss. Hier sind wir durch die Aufklärungsarbeit der letzten Jahre und nicht zuletzt aufgrund der sozialen Medien auf einem guten Weg.
Für die Autonomie der Mädchen ist das Führen einer Perioden-App empfehlenswert, in der auch Schmerzen und Begleitsymptome und verpasste Aktivitäten erfasst werden können.
Komplementärmedizin
An erster Stelle möchte ich hier den Lebensstil aufführen. Rauchen führt zu Gefäßverengung und verstärkt damit auch den Schmerz der Gebärmutter während der Periode. Noch ein Grund, nie damit anzufangen.
Regelmäßiger Sport und Yoga hingegen verbessern die Durchblutung und lindern damit den Schmerz. Also los auf die Matte!
Nicht-medikamentöse Interventionen wie Akupunktur, traditionell chinesische Medizin, transkutane Nervenstimulation (TENS) und Wärmetherapie konnten in einigen Studien die Schmerzen reduzieren.
Es gibt einige kleinere Studien, die eine eingeschränkte Wirksamkeit für Ingwer in den ersten 3-4 Tage der Periode zeigten sowie für Bockshornklee, Mönchspfeffer, Omega-3-Fettsäuren (z.B. Fisch oder als Nahrungsergänzungsmittel), Zink, Baldrian, Vitamin B1. Auch eine Vitamin D Hochdosis-Behandlung sowie eine fett-reduzierte vegetarische Ernährung zeigte in kleinen Studien Wirkung.
Medikamentöse Schmerztherapie
Mittel der Wahl sind „nicht-steroidale Antiphlogistika“ (NSAID). Zugelassen im Kindesalter für diese Diagnose sind Ibuprofen ab 10 Jahren und Naproxen ab 12 Jahren. Diese Medikamente reduzieren nachweislich die Bildung von Prostaglandin in der Gebärmutterschleimhaut. Die Entzündungs- und Schmerzreaktion wird gelindert. Am besten wirken diese Medikamente, wenn man sie bereits 1-2 Tage vor der Periode einnimmt, damit die Schmerzkaskade gar nicht erst zustande kommt. Natürlich bedarf es hierbei einen einigermaßen regelmäßigen Zyklus. Durch das Führen eines Periodenkalenders/App kann vielen Mädchen Leid erspart werden.
Dadurch dass Periodenschmerzen häufig als gegeben hingenommen werden, gehen jungen Mädchen damit nicht zum Kinderarzt, sondern nehmen auf eigene Faust Schmerzmittel ein, aber dann meist zu niedrig dosiert und erst wenn die Schmerzen nicht auszuhalten sind. Daher ist ein individueller, schriftlicher Medikamentenplan sinnvoll.
Auch Paracetamol wird gern eingenommen, allerdings hat es eine andere Wirkweise als die NSAID und schneidet auch in den Studien schlechter ab und gilt damit nicht als Mittel der Wahl.
Wenn NSAID nicht vertragen werden, kann auch ein Therapieversuch mit Butylscopalamin (Buscopan) als Krampflöser versucht werden.
Hormonelle Behandlung
Wenn NSAID keine ausreichende Schmerzlinderung erzielen, ist eine hormonelle Therapie Mittel der Wahl.
Bevorzugt werden kombinierte orale Kontrazeptiva (Östrogene und Gestagene), v.a. wenn auch ein Verhütungswunsch besteht. Der Gestagenanteil reduziert den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut und verringert die Ausschüttung von Prostaglandinen und Leukotrienen, den Botenstoffen, die bei vermehrter Ausschüttung, wie oben beschrieben die starken Schmerzen verursachen.
Die kombinierte Pille bewirkt also eine Abnahme des Menstrualblutvolumens und der Schmerzen. Dadurch können die Periodenschmerzen signifikant verringert werden.
Die EMA (Europäischer Risikobewertungsauschuss im Bereich der Pharmakovigilanz) empfiehlt bei der Erstverordnung von kombinierten Kontrazeptiva levonorgestrel-haltige Präparate, da hier das Risiko für Thromboembolien am geringsten ist im Vergleich zu anderen Präparaten.
Wenn kein Verhütungswunsch besteht, kann auch ein reines Gestagenpräparat gegeben werden, welches den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut und die Ausschüttung von Prostaglandinen verringert, aber den Eisprung nicht unterdrückt.
Neben der Pille gibt es auch für andere Darreichungsformen hormonaler Kontrazeptiva (Vaginalring, Hormonpflaster) Effizienzstudien, die eine erfolgreiche Behandlung der Periodenschmerzen nachgewiesen haben.
Jede hormonelle Behandlung hat Vorteile, aber auch potenzielle Nebenwirkungen. Daher sollte die Therapieentscheidung individuell nach Einschätzung des Risikoprofils der Patientin gefällt werden.
Sollte es zu einer unzureichenden Schmerzreduktion kommen, kann nach weiterer Abklärung auch eine Verkürzung der Pillenpause auf 4 Tage oder die Langzykluseinnahme hilfreich sein.
Wann müssen Periodenschmerzen weiter abgeklärt werden?
Wie oben bereits geschrieben, sind die meisten Mädchen bzw. Frauen von primären Periodenschmerzen betroffen, d.h. es findet sich keine körperliche Ursache.
Unnötige Eingriffe sollten also vermieden werden.
Wenn die Schmerzen trotz korrekt eingenommener Hormontherapie und NSAID über mehr als 6 Monate bestehen bleiben, sollte eine Bauchspiegelung (Laparaskopie) zum Ausschluss einer Endometriose oder anderer Ursachen erfolgen.
Was steckt hinter sekundären Periodenschmerzen? Was bedeutet Endometriose?
Von sekundären Periodenschmerzen wird gesprochen, wenn eine körperliche Ursache vorliegt.
Über die Endometriose möchte ich gerne in Zukunft gesondert berichten, aber kurz anreißen möchte ich dieses Thema schon heute.
Die Endometriose ist die häufigste Ursache für sekundäre Periodenschmerzen. Es befinden sich Gebärmutterschleimhaut und -drüsen außerhalb der Gebärmutter, z.B. im Becken, im gesamten Bauchraum und bei Jugendlichen selten auch auf den Eierstöcken. Diese Schleimhaut führt dann auch über die Ausschüttung von Prostaglandinen zu Schmerzen. Außerdem kann auch Nervengewebe von den Endometrioseherden infiltriert werden und Schmerzen bereiten.
Es gibt vielfältige Erklärungen für die Entwicklung einer Endometriose, die ich heute nicht in ihrer Fülle aufführen möchte. Risikofaktoren für eine Endometriose im Jugendalter sind kurze Zyklen, starke Blutungen, Übergewicht und eine frühe erste Monatsblutung vor dem 11. Lebensjahr. Die Mädchen haben auch häufig mitten im Zyklus Schmerzen oder sogar chronische Schmerzen. Das Risiko wird auch erhöht, wenn eine erstgradig verwandte Person davon betroffen ist. Endometriose kann die Fruchtbarkeit beinträchtigen. Behandelt wird die Endometriose operativ im Rahmen der Bauchspiegelung und durch NSAID und hormonelle Behandlung wie bei primären Periodenschmerzen.
Neben der Endometriose gibt es auch die Abflussbehinderungen durch Fehlbildungen im Bereich der Scheide und der Gebärmutter, die zu starken Schmerzen führen können. Diese Fehlbildungen können mittels Ultraschalles, MRT und Bauchspiegelungen diagnostiziert und therapiert werden.
In meiner privatärztlichen Kinderarztpraxis im Münchner Westend biete ich eine kinder- und jugendgynäkologische Sprechstunde an. Ich nehme mir Zeit für die Mädchen und bespreche mit ihnen alle Optionen.
Sie können gerne eine online Terminbuchung vereinbaren oder Sie melden sich bei mir telefonisch (0176 70837422) oder per email er@kinderaerztinnen-im-westend.de
Quellen:
- Aalia Sachedina, Nicole Todd. Dysmenorrhea, Endometriosis and Chronic Pelvic Pain in Adolescents. J Clin Res Pediatr Endocrinol 2020;12 (Suppl 1): 7-17
- Committee on Adolescent Health Care. Dysmenorrhea and endometriosis in the Adolescent. Obstetrics & Gynecology Vol.132, No. 6, Dec 2018.
- Julia Bartley. Dysmenorrö bei jungen Mädchen. Korasion Nr. 3, Juli 2013.
- Patricia G.Oppelt, Helmuth-Günther Dorr. Kinder- und Jugendgynäkologie. Thieme. 2015
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