Als Kinderärztin berichten mir Eltern von den Herausforderungen und natürlich auch von den Freuden, die die Entwicklung ihrer Kinder mit sich bringt. Gerade das Thema Schlaf bringt viele Eltern an ihre Grenzen. Manche Kinder scheinen die Nacht schier zum Tag zu machen.
Mit meinem ersten Kind musste ich erfahren, wie quälend ein monate- ach jahrelanger Schlafentzug sein kann, wie man zwischen intensiven Gefühlen für das Baby und großer Wut schwanken kann. Der Schlafentzug führte dazu, dass ich mich nicht mehr konzentrieren konnte, meine Leistungsfähigkeit sank, und alle Aufgaben jenseits der Versorgung meines Sohnes schienen unbewältigbar.
Glücklicherweise ist diese Zeit auch vergangen, und die Probleme wurden bewältigt.
Um den Eltern und meinen kleinen Patienten zu helfen, die in sich in einer ähnlichen Situation befinden, habe ich mich in der frühkindlichen Entwicklung und deren Störungen intensiv weitergebildet.
Wenn mir Eltern von den Schlafstörungen ihrer Säuglinge und Kleinkinder erzählen, liegt es mir sehr am Herzen ihnen Gehör zu verschaffen und mit ihnen Strategien zu besprechen (Eltern-, Säuglings-, Kleinkind-Beratung)
Eine erholsame Nacht ist nicht nur für die gesunde Entwicklung der Kinder, sondern auch für die Gesundheit und das Wohlbefinden der gesamten Familie essenziell.
Sie können mich (Dr.med. Esther Renoirte) gerne unter er@kinderaerztinnen-im-westend.de oder unter 0176-708374 22 erreichen.
Wer gerne mehr über die Entwicklung des Schlafverhaltens im Säuglingsalter und Ursachen von Schlafstörungen und über meine Schlafberatung erfahren möchte, ist eingeladen weiterzulesen!
Der zirkadiane Rhythmus und die Schlafhomöostase
In den ersten Lebensmonaten passen sich die Schlaf-Wach-Phasen der kleinen Säuglinge dem Tag-Nacht-Rhythmus an. Dieser Tag-Nacht-Rhythmus wird durch den zirkadianen Rhythmus und der Schlafhomöostase reguliert.
Der zirkadiane Rhythmus ist schlafunabhängig und wird durch einen inneren Zeitgeber im Gehirn gesteuert. Dieser Zeitgeber oder auch innere Uhr genannt, sitzt im suprachiasmatischen Nukleus im Zwischenhirn und steuert die Bildung von Melatonin, dem sogenannten Schlafhormon in der Epiphyse (Zirbeldrüse) des Zwischenhirns.
Bei Dunkelheit steigt die Produktion von Melatonin und macht uns müde.
So hilft dieser innere Zeitgeber zu bestimmen, wann man schläft und wann man wach ist. Er steuert noch viele weitere Prozesse im Körper, wie z.B. die Körpertemperatur, den Stoffwechsel, die Hormonproduktion, die Ausscheidung, unsere kognitve Leistungsfähigkeit etc.
Der Zeitgeber wird durch regelmäßig wiederkehrende Umgebungsfaktoren synchronisiert. Neben dem Tageslicht spielen da auch Lärm, soziale Kontakte und die regelmäßigen Essenszeiten eine Rolle.
Die Schlafhomöostase wiederum ist ein schlafabhängiger Prozess. Im Laufe der Wachzeit wird eine Schlafschuld aufgebaut, die dann die Einschlafbereitschaft erhöht. Je höher die Schlafschuld desto tiefer und besser schläft man.
In jeder Minute, die man wach ist, wird mit steigender Konzentration das Adenosin gebildet. Je länger man wach ist, desto mehr akkumuliert es. Der Wille des Gehirns zu schlafen erhöht sich. Der Gegenspieler des Adenosins ist übrigens das Koffein.
Die Schlafhomöostase setzt jedoch erst im zweiten Lebensmonat ein. Neugeborene und junge Säuglinge können also noch keine Schlafschuld aufbauen. Längeres Wachhalten hat demnach keine längere Schlafphase zur Folge!
Die Schlafstadien
Unser Schlaf wird in den oberflächlichen REM-Schlaf (rapid eye movements) und den tiefen Non-REM-Schlaf unterteilt. Der REM-Schlaf ist charakterisiert durch schnelle Augenbewegungen, unregelmäßige Atmung und gelegentliche körperliche Unruhe. Er wird auch als Traumschlaf bezeichnet und ist besonders störungsanfällig, d.h. wir erwachen schneller.
Der NREM-Schlaf wird in die Schlafstadien 1 bis 4 unterteilt (Rechtschaffen und Kales 1968), die sich in ihrer Schlaftiefe, von Leichtschlaf (1 und 2) zu Tiefschlaf (3 und 4) unterscheiden.
Im Tiefschlaf können wir nur schwer erweckt werden, wir nehmen nichts mehr wahr und sind desorientiert, wenn wir gewaltsam aus dem Schlaf gerissen werden.
Zu Beginn eines Schlafzyklus verfallen wir in einen oberflächlichen Schlaf, unsere Wahrnehmungsfähigkeit wird schwächer, und wir sinken dann in den Tiefschlaf ab. Bevor wir wieder aufwachen, beginnt die REM-Schlafphase, die Phase, in der wir am meisten träumen. Wir wachen dann für einige Minuten auf, bevor wir wieder in Tiefschlaf driften, können uns jedoch am nächsten Morgen meist nicht an diese Wachphasen erinnern.
Der zyklische Wechsel zwischen den Schlafphasen verläuft wiederholt die ganze Nacht. In der ersten Nachthälfte überwiegt der Tiefschlaf und in der zweiten der Traumschlaf, also REM-Schlaf.
Bei Neugeborenen und jungen Säuglingen dauert ein solcher Zyklus ca. 50-60 min, sie werden also stündlich kurz und nach 3-4 Zyklen länger wach. Dadurch erklärt sich der instabile Schlafverlauf im Säuglingsalter. Den Säuglingen sollte die Gelegenheit gegeben werden, sich selbst zu beruhigen, weil durch sofortiges Hochnehmen und Stillen die physiologischen Schlafabläufe gestört werden können. So kann man die grundsätzliche Fähigkeit der Eigenregulation unterstützen.
In den nächsten Lebensmonaten werden die Schlaf-Wach-Perioden länger und regelmäßiger.
Am Ende des ersten Lebensjahres haben die Säuglinge eine ähnliche Schlafstruktur wie Erwachsene. Ein Schlafzyklus dauert dann zwischen 90 und 120 min.
Schlafdauer
Die Schlafdauer ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich lang und nimmt mit zunehmendem Alter immer mehr ab. Neugeborene schlafen in der Regel zwischen 14 und 18 Stunden täglich, Erwachsene 7-8 Stunden und ältere Erwachsene ca. 6 Stunden. Es gibt natürlich auch Erwachsene, die mit deutlich weniger Stunden auskommen und auch solche, die ein höheres Schlafbedürfnis haben.
Entwicklungsaufgaben im Kontext des Schlafens
In den ersten Lebensjahren durchlaufen Kinder körperlich-seelische Entwicklungsprozesse, die den Schlaf abseits des zirkadianen Rhythmus und der Schlafhomöostase erheblich beeinflussen.
In den ersten drei Monaten muss sich der Schlaf-Wach-Rhythmus mit seinen regelmäßigen Schlaf-Wach-Zyklen erstmal einstellen. Die unterschiedlichen Verhaltenszustände (aktiv wach, ruhig wach, schlafen) und deren Abläufe festigen sich.
Mit etwa drei Monaten ereignet sich ein erster allgemeiner Entwicklungsschub. Den Eltern fällt auf, dass ihre Kinder nun häufiger aktiv wach sind.
Sie sind weniger von externen Einschlafhilfen (z.B. Körperkontakt, Wiegen, Stillen) abhängig und lernen das Ein- und Durchschlafen immer besser selbst zu regulieren, solange alle Grundbedürfnisse befriedigt, sie ausreichend müde sind und von den Eltern dabei unterstützt werden.
Im zweiten Lebenshalbjahr stehen entwicklungspsychologisch die Regulation von Nähe und Distanz, Ablöseprozesse und Trennungsängste im Vordergrund, so dass es in diesem erneuten Entwicklungsschub zu einer Phase mit häufigerem Erwachen und Schreien kommen kann. Um den Kindern ein Gefühl der Geborgenheit zu geben, hat sich die Einführung eines sogenanntes Übergangsobjekt (z.B. Kuscheltier) als wirksam erwiesen, welches die Bezugsperson repräsentiert und an sie erinnert (Winnicott 1951).
Schlafstörungen im Säuglingsalter
Manchen Säuglingen fällt es schwer einzuschlafen, sie schlafen unruhig und wachen häufig auf.
Die Eltern sind durch diese Schlafstörung häufig körperlich und psychisch stark belastet. Sie sind selbst übermüdet, erschöpft und leiden an den Folgen des Schlafentzugs.
Häufig stehen Schlafstörungen im Säuglingsalter im Zusammenhang mit anderen Regulationsproblemen, wie exzessives Schreien oder Fütterstörungen.
Wichtig ist zu unterscheiden, ob der Schlafstörung eine körperliche oder nicht-körperliche Ursache zugrunde liegt. Körperliche Ursachen können Hunger, Schmerzen, Kälte oder Überwärmung sein. Bauchschmerzen können durch Überfütterung, Verstopfung, ein gastro-ösophagealen Reflux oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten, wie. z.B. die Kuhmilchproteinallergie oder Zöliakie bedingt sein. Chronisch entzündliche Hauterkrankungen, wie die Neurodermitis können durch den Juckreiz zu einer Schlafstörung führen genauso wie eine chronische obstruktive Bronchitis durch nächtliche Atemnot. Auch seltene schlafbezogene Atemstörungen müssen in Betracht gezogen werden. Säuglinge mit neurologischen Erkrankungen, Entwicklungsstörungen oder psychischen Belastungen weisen als Frühsymptom häufig einen gestörten Schlaf auf.
Daher empfehle ich allen Eltern, die Schlafstörungen ihrer Säuglinge ernst zu nehmen und ihre Kinderärzte frühzeitig darauf hinzuweisen. Eine Chronifizierung der Schlafstörung kann vermieden werden. Schlafstörungen können erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung eines Kindes haben!
Wenn sich in der Befragung der Eltern und in der ärztlichen Untersuchung kein Hinweis auf eine körperlich bedingte Schlafstörung ergibt, sollte als nächster Schritt eine eingehende schlafmedizinische Anamnese erfolgen.
Die Eltern sollten sich die Zeit nehmen dürfen, in Ruhe einen Fragebogen zum Schlaf-Wach- Verhalten ihres Kindes auszufüllen sowie ein Schlaftagebuch zu führen. Die intensive Auseinandersetzung mit der Thematik kann auch dazu führen, dass sie erkennen, wo die eventuelle Ursache für die Schlafstörung liegt.
Schlafberatung
Sie können sich bei mir telefonisch (0176-70837422) oder per email melden (er@kinderaerztinnen-im-westend.de).
Ich biete Ihnen an, mit ihrem Kind in meine Kinderarztpraxis im Münchner Westend zu kommen, damit wir die Situation besprechen können und ich Sie und ihre Kind kennenlernen kann. Wenn gewünscht, untersuche ich ihr Kind, um mögliche organische Ursachen ausschließen zu können. Bei Bedarf, z.B. bei V.a. gastro-ösophagealen Reflux kann auch eine Sonografie des Bauches erfolgen. Gemeinsam können wir gerne ein von Ihnen erstelltes Video über die Schlafsituation ansehen.
Dann bitte ich Sie, in Ruhe zuhause einen Fragebogen auszufüllen und ein Schlaftagebuch über einige Tage zu führen. Wir vereinbaren einen Termin (Telefon, Video oder in der Praxis), um die Situation gemeinsam zu erarbeiten.
Ich bespreche mit Ihnen, wie man einen stabilen Schlaf-Wach-Rhythmus bahnen und positive Schlafroutinen herstellen kann.
Ich freue mich auf Sie und ihr Kind!
Quellen:
- Cierpka, M. (2014). Frühe Kindheit 0-3 Jahre (2. Auflage). Springer
- Wiater, A., Lehmkuhl, G., Alfer D. (2020). Praxishandbuch Kinderschlaf. Urban& Fischer
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